Petro Surf - Festival auf Sylt vereint Porsche fahren und Surfen - WELT

2022-05-14 03:30:27 By : Ms. Tina Tian

E twas war anders an einem Wochenende Anfang Juli in Kampen. Das offensichtlichste Signal: Im Avenarius-Park wurde gezeltet. Sogar einige Automobile parkten auf der gepflegten Wiese. In anderen Gemeinden würde man wahrscheinlich nicht mal mit den Schultern zucken und sagen: Na und? Sylt hingegen ist zwar berühmt für seine Champagnerstimmung, mindestens ebenso berüchtigt ist aber auch der zunehmende Hang zum möglichst geordneten Vergnügen, zu Einschränkung, Ordnung und Verboten. Und an geduldete Zelte mitten in Kampen, in dem Park, wo früher zwar ausgelassene „Prominenten“-Fußballspiele stattfanden, heute aber nicht nur das Ehrengrab, sondern das gesamte Areal von nachbarlichen Argusaugen bewacht wird – an so etwas konnten sich selbst langjährige Teilzeitbewohner des Ortes nicht erinnern.

Doch „Petro Surf“ machte es möglich. Das ist der Name einer Veranstaltung, die mehr sein möchte als nur eines von unzähligen Porsche-Treffs. Vielmehr sollten quasi zwei Kernkompetenzen der Nordseeinsel vereint werden: die Begeisterung für Wellenreiten und die luftgekühlten Porsche-Sportwagen. Die Einheimischen Ken Hake und Angelo Schmitt waren auf die Idee gekommen, dies war der zweite Ritt.

Hake, selbst Fahrer eines G-Modells von 1987 – sein Vater war einst der zweite Mann auf der Insel, der einen Porsche 365 Speedster besaß –, sagt: „Wir wollten ein authentisches Event, das Beste aus beiden Welten mit richtig guten Leuten und ohne Poser.“ Der Unternehmer stammt aus Sylt, führt von Hamburg aus das Lifestyle-Label Marine Machine und hat über zehn Jahre in Südkalifornien gelebt, gelernt und gearbeitet. Seine Porsche-Passion nahm er mit nach San Diego, und inzwischen fährt er regelmäßig mit drei Surfbrettern zur Atlantikküste. Der Beifahrersitz kommt dafür raus, die Sehnsucht nach der perfekten Welle an Bord.

An den Stränden und in der Surfer-Kultur Südkaliforniens lernte er kennen, was auf Sylt bei aller Wellenreitertradition mitunter etwas verloren geht: die Lässigkeit des Seins. Und auch die Begeisterung für Porsche wird in Kalifornien deutlich entspannter gelebt als im Heimatland der Marke. Alte Modelle werden in mühsamer Handarbeit restauriert, modifiziert, alles dem eigenen Geschmack und den Möglichleiten entsprechend. Eine ganze Kultur hat sich rund um diesen Porsche-Lifestyle gebildet, Events wie „Luftgekühlt“ ziehen in Los Angeles Massen an, Bastler treffen auf Sammler, Hedgefonds-Milliardäre auf Feuerwehrmänner, sie nennen sich Outlaws oder haben sich in Klubs wie der R-Gruppe organisiert. 356, 911, 912, 964, 993 – für diese Männer sind das nicht einfach nur Zahlen, sondern die Codes eines erfüllten Lebens. Hier geht es nicht darum, das neueste Modell zu leasen, sondern um den Besitz einer ganzen Lebenswelt.

Und so versammelten sich 50 Porsche-Enthusiasten – doppelt so viele wie im Vorjahr – am frühen Morgen auf dem Parkplatz der „Buhne 16“ in Kampen. Dem Wetter zum Trotz war es ein faszinierender Anblick, zumindest wenn man sich ein wenig für historische Porsche begeistert. Führte doch schon der eine kleine, alte rote Wagen, der Samstagabend noch vor dem Eingang zum Gemeindehaus Kaamp-Hüs stand, dazu, dass Autofahrer extra langsam auf die Ampel in der Ortsmitte zufuhren, um Rot zu erwischen und in Ruhe schauen zu können.

Die Besitzer und Besitzerinnen der Autos sahen wenig nach dem aus, was man sich unter klassischen Oldtimer-Besitzern vorstellt. Vintage Daytona, Louis-Vuitton-Taschen, Hipster-Bärte, Boardshorts, selbst gedrehte Zigaretten. Die Schrauber von United Garages aus Hamburg waren dabei, viele Kreative, Fotografen, Unternehmer. Und neben den überwiegend deutschen Teilnehmern auch einige internationale Influencer und Branchenidole wie der australische Surfboard-Hersteller Thomas Bexon, der französische Fotograf Vince Perraud oder der PS-verrückte Ted Gushue, früherer Executive Editor des Auto-Blogs Petroliciuos, heute Chefredakteur des Porsche-Kanals Type 7, ein Mann mit mehr als 100.000 Followern auf Instagram und „Global Ambassador“ von St. Moritz. Auch Porsche-Marketingleiter Bastian Schramm sah sich am richtigen Ort: „In einem luftgekühlten Elfer einen Pass hochfahren oder eine Welle zu reiten – beides bereitet sicherlich ähnliche Glücksgefühle. Begeisterung zu pflegen ist uns natürlich wichtig.“

Wobei man bei allem nach außen getragenen Surfer-Geist erwähnen muss, dass im vergangen Jahr einige Teilnehmer zwar mit Surfboards auf dem Dach ankamen, nur leider verkehrt herum montiert. Dem Vernehmen nach wurde dieses Jahr sicherheitshalber vorab erklärt wie es richtig geht, auf dass jene, für die ein Surfboard eher Dekoration ist, sich nicht blamieren. Schließlich geht es um die Seele der Sache.

Im Rummel um Fotoausstellung, Podiumsdiskussion, Merchandise-Verkauf, vegane Bowls und Livemusik geht der Easy-Living-Spirit zwar etwas verloren, und wenn Schaulustige von „dem pinken Porsche da“ sprechen, schmerzt es die Petro-Talker, die besser wissen, dass der RS in Sternrubin eine ziemliche Sensation ist.

Für Ken Hake ist diese Vermischung allerdings kein Widerspruch, denn einerseits braucht „Petro Surf“ auch Aufmerksamkeit jenseits der Teilnehmer, und zum anderen will er mit der Veranstaltung mittelfristig das Inselimage stärken: „Der Mythos von Kampen und Sylt lebt immer noch sehr von den alten Geschichten rund um Gunter Sachs. Bei allem Respekt: Das ist schon lange her. Wir möchten neue Impulse setzen.“ Die Gemeinde scheint sich über die wilden Jungs mit den hochmotorisierten Wagen allemal zu freuen – siehe die Camping-Erlaubnis.

Und richtig gesurft werden kann schließlich auch am nächsten Tag, wenn sich alle Inselgäste die Autos ausgiebig angeschaut haben, das letzte Pils verarbeitet ist und der perfekte Swell und die Passion rufen. Denn bei aller Freude am gemeinsamen Porsche-Erleben, die größte Freude hat jeder für sich. Allein auf der Straße. Oder in der Welle.

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