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17. März 2020 · Ist das Bubble-Hotel der Ort der Stunde? Seit einigen Jahren erobern die durchsichtigen Kapseln die schönsten Gegenden rund um den Globus, von der Schweiz bis auf die Malediven.
Die Idee ist nicht erst seit Erfindung der Seifenblase verführerisch: der Mensch ganz allein mit der Natur. Und von allem, was da stören könnte – Regen, Wind und Viren –, nur durch eine dünne aber doch dichte Schicht getrennt. Und man sieht diese Wand nicht einmal, denn sie ist aus durchsichtigem Kunststoff. Innen warm und mit Boxspringmatratze, außen die Wildnis, der Wind und 5000 Sterne.
Nach Bubble Economy und Bubble Tea hat die Welt nun auch eine Bubble Hotelerie – in der mexikanischen oder spanischen Halbwüste, im immerfeuchten Island oder am Rande französischer Großstädte gibt man sich die Kugel: In Südfrankreich versprechen Attrap’Rêves seit 2010 eine „cosmic experience“ beim Übernachten in den transparenten Kugeln zwischen Pinien, zehn Minuten von Marseille entfernt. Betont wird bei fast allen touristischen Kugelunternehmungen die Nachhaltigkeit, da keine Versiegelung des Bodens stattfindet und nur eine Plattform installiert wird. Den Rest besorgt ein Gebläse. Das für seine Containerarchitektur weltweit gepriesene Hotel Aire de Bardenas in der wüsten Leere Nordspaniens hat ebenfalls mit Kugeln nachgerüstet, und zuletzt machten Fotos von den Kugelunterkünften im Sun City Camp in Jordanien die Runde; das „Wadi Rum“ dort sieht aus wie eine Mischung aus Mars-Camp und Römerlager. Allerdings sind dort die Blasen mit Streben verstärkt. „Stargazer domes“ hießen diese Kuppeln anfangs in Nordamerika. Je rauher die Umgebung, desto dicker und stabiler sollte die Schicht zwischen dem Innen und sein.
Der Traum vom Leben in neuen leichteren Sphären ist nicht neu: Eine der ersten schönsten aufblasbaren Zellen für zwei tauchte 1968 in der Baugrube der Wiener Polizeipräsidiums auf und stand dort so provokant herum, als wollten Außerirdische die Kontrolle über die öffentliche Ordnung übernehmen. Das aufblasbare Habitat war kein Hotelzimmer, sondern ein Kunstwerk der österreichischen Avantgarde-Gruppe Haus-Rucker: Im „Gelben Herz“, einer „Kommunikations-Raumkapsel“ , konnte man sich von der Realität des Wohnens und der Welt abkapseln, alles um einen herum war plötzlich weich, federnd und luftig.
Seitdem waren aufblasbare Kugelhäuser die Lieblingsorte aller Utopiker – zuletzt hatte das Berliner Architektenkollektiv Raumlabor das Küchenmonument, eine Blase für bis zu 80 Gäste, unter Autobahnbrücken und auf Verkehrsinseln aufgepumpt, um zu zeigen, dass es nur eine Folie, ein bisschen Luft und ein bisschen Überdruck braucht, um sich überall auf der Welt zu Hause zu fühlen.
Die Kugel-Hotellerie will allerdings, anders als die wilden Vorbilder aus den späten Sechzigern, weder klassische Häuser noch die darin nistenden Lebensentwürfe sprengen sondern ein Once-in-a-life-time-Erlebnis bieten. Das kann man sehr schön auf Finolhu im Baa-Atoll der Malediven studieren. Die dortige Bubble ist stets ausgebucht, ein Verkaufsschlager bei Gästen aus allen Nationen. Obwohl sie zum regulären Zimmer dazugebucht werden muss – falls das Erlebnis wegen schlechten Wetters nicht stattfinden kann.
Die Übernachtungskugel auf den Malediven ist nicht die einzige im Indischen Ozean, auch Mauritius hat zwei - aber es ist die einzige, die am Strand steht und durch ihre Inselendlage die Illusion der total einsamen Hineingeworfenheit in die Welt perfektioniert. Wie die dazugehörige Ressortinsel ist sie seit vergangenem Jahr in deutscher Hand. Familie Gerlach, die mit ihrer „Seaside Collection“ auch auf den Kanaren Häuser besitzt, suchte noch eine Winterinsel fürs Portfolio. Mit hohem Anteil an europäischen Gästen, „denn die verstehen wir“, so Gregor Gerlach. Finolhu bedeutet Sandbank, und das beschreibt die langgestreckte Insel am treffendsten.
Das Vergnügen in der Blase beginnt am späten Nachmittag: Ein Butler holt die Gäste ab und begleitet sie mit der letzten Fähre zum Crab Shack, dem Lunch-Lokal auf der Sandbank. Dahinter ist ab jetzt Sperrgebiet, nur noch die Gäste der Bubble dürfen sich dort aufhalten – und deren Entourage. Der Butler und ein Koch, der, versteckt hinter einem Busch und einer Palme das Abendessen mit großer Hingabe zubereitet und aufstapelt, während der Butler in den Sand ein Bänkchen und ein Tischlein schaufelt und eindeckt. Vermutlich zieht sich so ein Abendessen bis spät in die Nacht, wenn die Malediven wieder mal einen ihrer unschlagbaren Sonnenuntergänge in Lila, Rosa und Aprikosenfarben geben. Allerdings sah es schon auf der Überfahrt nach Regen aus; das ist das Risiko, sagt der Butler, mal sehen, ob wir abbrechen müssen. Oder es schaffen. Später frischt der Wind auf, das Abendessen wird verkürzt, und mit dem Tee in der Hand huschen die Gäste in die Kugel. Wie gut, dass es diese wasserabweisende Membran jetzt gibt. Man könnte nun lesen, eine der Platten auflegen oder einfach nur dem Trommeln der Regentropfen lauschen und sich wundern, wie perfekt diese Hotelbettmatratze doch ist. Mittags, unter der Sonne des Äquators, möchte man nicht ohne Abdeckung in der Kugel sitzen. Sie wird auch gleich, nachdem die Gäste sich nach dem Frühstück verabschiedet haben, abgedeckt, denn sonst fängt die Inneneinrichtung zu kochen an. Die Blase auf Finolhu hat eine Nebenblase, in der Dusche, WC und Miniaturwaschbecken untergebracht sind. Ein perfektes Strandfrühstück hilft, langsam Abschied zu nehmen von der Robinsonade im Kugel-Ufo. Das Schönste beim Blick aus der Kugel ist die Illusion einer eigenen Insel, die man nur mit den wohnungsssuchenden Karawanen von Einsiedlerkrebsen teilen muss. Man ist genaugenommen ja selber einer – immer auf der Suche nach der perfekten Hülle für sein Leben. Eine leichte, durchsichtige Blase an einem weißen Strand kommt dem denkbaren Idealzustand schon ziemlich nahe.
Sie geben sich die Kugel
Ist das Bubble-Hotel ein Ort für Sie? Seit einigen Jahren erobern die durchsichtigen Kapseln die schönsten Gegenden rund um den Globus – von der Schweiz bis auf die Malediven.
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