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Herausgegeben von Gerald Braunberger, Jürgen Kaube, Carsten Knop, Berthold Kohler
Uneinnehmbar auf einem Sandsteinfelsen hoch über dem Ufer errichtet, reicht der Blick von den Türmen der Meersburg weit über den Bodensee bis in die Alpen. Bild: picture-alliance
Auf der Burg haus ich am Berge: Im Sommer wird die Meersburg, der letzte Wohnsitz von Annette von Droste-Hülshoff am Bodensee, von Rittern, Schmieden und Zofen bevölkert.
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B ei Simone Keil in Ulm laufen alle Fäden zusammen. Sechsmal im Jahr lässt sie ihr Leben des einundzwanzigsten Jahrhunderts hinter sich und verwandelt sich in eine mittelalterliche Köchin. Dann muss alles stimmen: Von der grob gewebten Tracht bis zum kunstvoll geschlungenen Leinenkopftuch. Von dem weißen Schürzenhemd, das sie sich nach alten Vorlagen genäht hat, bis zu den Rezepten. Von den Zutaten bis zu den Gewürzen. Simones Lieblingsgericht sind gefüllte Wachteln, ein Rezept aus der „Nürnberger Küchenmeisterei“, einem Kochbuch aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Danach werde sie oft gefragt. Reenactment nennt Simone Keil das, Wiederbeleben. Getreu nach überlieferten Quellen soll möglichst genau das mittelalterliche Leben auf einer Burg rekonstruiert werden. Sie sei aus Leidenschaft dabei, wie auch ihre Mitstreiter, die sie ganz neuzeitlich per E-Mail einlädt. Ihr Lohn ist ein Wochenende auf der Burg.
Kaum ein anderer Ort eignet sich so gut für dieses Projekt wie die Meersburg. Uneinnehmbar auf einem Sandsteinfelsen hoch über dem Ufer errichtet, reicht der Blick von den Türmen weit über den Bodensee bis in die Alpen. Unter der schmalen Zugbrücke, die sie von der Altstadt und dem barocken Schlossplatz trennt, geht es mehr als zwanzig Meter in die Tiefe. Schwarzwälder Knappen sollen im Mittelalter den tiefen Burggraben im Laufe weniger Tage in den Sandsteinfelsen gehauen haben, um einer Belagerung zuvorzukommen. Kaum ist man durch das Burgtor getreten, trennen einen meterdicke Mauern von der Stadt mit ihren Weinstuben und Klosterhöfen, Bürgerhäusern und barocken Palais. Mit einem Mal ist es still, als trete man über die Schwelle in eine andere Zeit.
Der Verputz ist grau, es riecht ein wenig modrig. Keine Multimediainstallation, nur versteckte Hinweisschilder führen auf einem Rundgang durch die Burg. In einer Kupferschale im Torhaus glüht ein Kohlenfeuer, ein bärtiger Wachmann im Kettenhemd und aufgeklappten Harnisch wärmt seine Hände. An der rußigen Gewölbedecke hängen zerbeulte schwarzlederne Löscheimer. An der Burgmauer lehnen Schwerter und Lanzen. Ein Junge nimmt ein Kurzschwert prüfend in die Hand. Der Torwächter reicht ihm ein Schild dazu. Das Kind ist enttäuscht, wie leicht es ist. Das sei aber richtig so, erklärt der Ritter, für ein Schild nehme man weiches Holz. Es sei nicht dazu da, das Schwert abprallen zu lassen, sondern es abzufangen. Und mit einem entschlossenen Hieb demonstriert er, was er meint. Mutig hebt der Junge sein Schild, die Schwertspitze bleibt zitternd stecken. Voilà.
Es zieht mich in den Turm, in dem Annette von Droste-Hülshoff ihre letzten Lebensjahre verbrachte. Aus den Augenwinkeln bemerke ich einen Schneider. Er hockt nicht mit gekreuzten Beinen auf dem Tisch wie das tapfere Schneiderlein, sondern behäbig auf einem klobigen Hocker und flickt sein Leinenzeug. Burgfräulein und Knappen eilen auf weichen Sohlen geschäftig an mir vorbei die Treppe hinauf. In einer Kemenate sitzt eine Frau an einem prachtvollen Kachelofen und spinnt. Wären ihre Wangen unter der Haube nicht rosig, es könnte die alte Hexe aus Dornröschen sein. Einen Folterknecht gibt es zum Glück nicht. Der arme Bursche, der mit Kopf und Händen zwischen die Balken des Prangers eingeklemmt ist, lässt sich an seinem Hardrock-T-Shirt unschwer als Bewohner der Neuzeit erkennen und grimassiert für die Kamera seiner lachenden Kameraden.
In der Wohnung der Droste ist alles beim Alten. Ihr Bett ist gemacht. Der Schreibtisch steht am Fenster. Die Bücherschränke sind gefüllt mit Manuskripten, als wäre die Dichterin gerade eben gegangen. Der Ausblick aus dem runden Turm über den See ist weit und licht. Eine Ahnung von Glück ist spürbar im warmen Nachmittagslicht. Hier konnte Annette von Droste-Hülshoff endlich ihr eigenes Leben führen, weit weg von der Heimat und ihren Konventionen. „Auf der Burg haus ich am Berge, unter mir der blaue See, höre nächtlich Koboldzwerge, täglich Adler aus der Höh. Und die grauen Ahnenbilder sind mir Stubenkameraden, Wappentruh und Eisenschilder, Sofa mir und Kleiderhaken“, klingen mir die Worte der Dichterin im Ohr, als ich von der Turmwohnung eine steile Stiege hinabsteige. Hinter der schweren Eichentür öffnet sich ein düsteres Gewölbe. Und wie im Traum riecht es plötzlich nach Rauch. Was ist hier los? Es dauert einen Augenblick, bis sich meine Augen an das Dunkel gewöhnen. Ein Feuer glimmt auf der Esse, ein Hüne in Lederschürze dreht mir den Rücken zu und tunkt mit der Zange ein glühendes Eisen in Wasser, dass es zischt. Und nun hat es auch mich gepackt. Bin ich in eine Zeitmaschine geraten?
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Burg Meersburg am Bodensee: Im Sommer von Zofen und Knappen bevölkert
Auf der Burg haus ich am Berge: Im Sommer wird die Meersburg, der letzte Wohnsitz von Annette von Droste-Hülshoff am Bodensee, von Rittern, Schmieden und Zofen bevölkert.
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