Arnaud de Rosnay: Der Windsurfer, der verschwand - DER SPIEGEL

2022-07-01 21:16:31 By : Mr. Jack Su

Schnell wie der Wind: Der Franzose Arnaud de Rosnay gehörte zu den besten Windsurfern seiner Zeit. 1981 überquerte er den Ärmelkanal in 99 Minuten und brach den alten Rekord um zweieinhalb Stunden. 1984 surfte er von Florida nach Kuba und von Hokkaido auf die sowjetische Insel Sachalin. Auch bei Geschwindigkeitswettbewerben auf Hawaii mischte er vorn mit. Windsurf-Legende Robby Naish erinnerte sich später, Rosnay sei ehrgeizig und lernschnell gewesen, in der Szene aber auch etwas unbeliebt: "Man fand ihn sehr überzeugt von sich und ein wenig arrogant."

Auf dem Weg ins Unglück: Der Fotograf Pierre Perrin machte am 24. November 1984 vom Strand in Wong Chu (Südchina) die letzten Aufnahmen des Extrem-Windsurfers de Rosnay. Der Abenteurer wollte in sieben Stunden von China bis nach Taiwan surfen: 170 Kilometer ohne Begleitung, Signalrakete und Sicherungsleine über eine gefährliche Meerenge. Seitdem gibt es keine Spur mehr von ihm - dafür viele Theorien über die Umstände seines Verschwindens.

Nachdenklich und in sich gekehrt war Arnaud de Rosnay vor der geplanten Überquerung der Formosa-Straße, der Meerenge zwischen China und Taiwan. Nur Monate zuvor war er Vater geworden. Er notierte in China: "Ich möchte etwas Einzigartiges an meine Tochter weitergeben, meine Gefühle, meine Werte, meine Erfahrungen, meine ganze, überbordende Liebe. Ich will nicht sterben, weil meine zwei Frauen mich zu Hause erwarten."

Die letzte Nacht: Rosnay am 23. November 1984 in seiner Unterkunft in Chong Wu, die er sich mit Pierre Perrin teilte. Auf den Fotografen wirkte er "leer und erschöpft". Erst später wurde bekannt, dass die gemietete Unterkunft einem chinesischen Militärbediensteten gehörte, was Verschwörungstheorien anheizte: Warum stoppte das Militär Rosnays Überfahrt nicht? Schließlich startete er ohne Genehmigung durch mitunter gesperrtes Gebiet zum Erzfeind Taiwan.

Eine der letzten Aufnahmen des Windsurf-Pioniers vor seinem Start in China. Bis heute wird über sein Verschwinden spekuliert. War Rosnay Opfer der Feindschaft zwischen China und Taiwan geworden? Hielten Militärs ihn für einen Spion und ermordeten ihn? Geriet er an Piraten? Sogar eine Wahrsagerin wurde bemüht, die ihre Hand auf einen Zeitungsartikel über den verschollenen Franzosen hielt - und "einen gewaltsamen Tod" sah. Wahrscheinlicher scheint ein banaler Unfalltod durch Sturz oder Kollision mit einem großen Tanker auf der Meerenge.

Kurzes Glück: 1984 wurde Rosnay Vater. Das Windsurfer-Paar taufte das Kind Alizé - was auf Französisch "Passatwind" heißt. Arnauds Frau Jenna bat ihren Mann, künftig auf riskante Rekordversuche zu verzichten, doch der Abenteurer fremdelte noch mit seiner neuen Rolle: Er werde nie ein "langweiliger Vater" sein, der müde aus dem Büro schlurfe, schrieb er. Aber auch, dass er nicht sterben wolle. Laut Fotograf Pierre Perrin wollte Rosnay nur noch zwei Meerengen bezwingen und dann mit "den Dummheiten" aufhören. Beim ersten Versuch verschwand er für immer.

Partylöwe: "I like sex", eigentlich ein überflüssiger Hinweis auf dem bunten Hemd von Rosnay. Ganz Frankreich kannte den adeligen Playboy und seine Affären. Hier tanzt er mit Model Marisa Berenson, seiner ersten Freundin. Die beiden verband eine Hassliebe: "Ich habe Arnaud achtmal verlassen, wir haben uns siebenmal versöhnt", sagte sie später. "Beim achten Mal bin ich nicht zurückgekehrt, obwohl ich den Eindruck hatte, dass er die Liebe meines Lebens war."

Erster Versuch: 1973 wurde Rosnay scheinbar bodenständig - und heiratete Isabel Goldsmith, Tochter des britischen Milliardärs James Goldsmith. Die Ehe hielt nur zwei Jahre. 1981 heiratete Rosnay dann die deutlich jüngere Jenna Severson.

Die große Liebe: Rosnay mit seiner späteren Frau Jenna, gebürtige Kalifornierin. Er schätzte die Naturverbundenheit und "Reinheit" dieser jungen Frau, die, so schrieb er, "im Freien lebt, in der Sonne und den Wellen". Sie hielt später Geschwindigkeits-Weltrekorde im Windsurfen. Rosnay liebte noch etwas an ihr, was sie von seinen früheren Eroberungen unterschied: "Sie ist keine kleine Society-Prinzessin. Sie ist eine einfache Frau mit einfachen Vorlieben und dann auch noch wahnsinnig intelligent."

Verrückter Plan: 1980 wollte Rosnay von der Insel Nuka Hiva (Französisch-Polynesien) zum 4000 Kilometer entfernten Hawaii surfen. Ursprünglich sollte ihn dabei ein Boot der französischen Marine begleiten, zudem eine Jacht des US-Fernsehsenders ABC. Doch bei ersten Tests war die Jacht zu langsam, um den Surfer zu folgen - und die französische Marine warnte vor diesem "Selbstmordkommando". Also...

...machte Rosnay es wie so oft: Er setzte seinen Kopf durch. Heimlich brach er nachts am 31. August 1980 allein auf; ein eingeweihter Fotograf machte davon eine Blitzlichtaufnahme. Rosnay passte sein Ziel der neuen Situation an und peilte nun das 1300 Kilometer entfernte Tahiti an. Tagelang suchte die Marine intensiv nach "diesem Irren", doch Rosnay blieb verschollen. "Die letzte große Fahrt des verrückten Barons?" fragte sich nicht nur die "Welt".

Bertrand Laforet/ Gamma-Rapho/ Getty Images

Arnauds Helfer: Im August 1980 präsentierte Rosnay einen Teil seiner Spezialausrüstung für seine geplante Pazifik-Überquerung. Er ließ sich auch von einem anderen verwegenen Abenteurer beraten, dem Segler Bernard Moitessie. Der hatte 1969 von Europa aus als erster Einhandsegler die Antarktis ohne Zwischenstopp umsegelt.

Verwandlung: Um sich bei seinem Ritt über den Südpazifik - geplant waren ursprünglich 4000 Kilometer - sicher ausruhen zu können, ließ sich Rosnays Windsurfbrett mit aufblasbaren Stabilisatoren in einen Trimaran umbauen. Rosnay schlief in einer aufpumpbaren Rettungsinsel mit wasserdichtem Schlafsack auf dem hinteren Teil seines Bretts. Zur Verpflegung hatte er spezielle Nahrungspillen der Nasa dabei; ein solarbetriebener Destillationsapparat sollte frisches Trinkwasser produzieren. Um auch nachts...

...weiterzukommen, sollte ein Drache die treibende Surfplattform ziehen. So wurde der Franzose zum Vordenker des Kitesurfens. Rosnay selbst entwickelte den Drachen später weiter und stattete ihn mit einem Funkpeilsender und radarreflektierendem Stoff aus. Stolz notierte er: "Lassen Schiffbrüchige auf einem Rettungsfloss diesen Drachen steigen, können sie auf weite Entfernungen mittels Funk und Radar angepeilt werden."

Geschafft: "Sind Sie der verschollene Windsurfer?", fragten am 11. September 1980 Einheimische des Korallenatolls Ahe den sonnenverbrannten Fremden. Etwa 900 Kilometer war der tagelang vermisste Windsurfer auf dem Südpazifik unterwegs gewesen. Die ersten Kokosnüsse auf der Insel seien von Ratten zerfressen gewesen, berichtete er. Erst nach Stunden sei er auf ein Dorf gestoßen. Das Foto zeigt Rosnay Tage später bei seiner Ankunft auf Tahiti. "Ich habe das Unmögliche geschafft", sagte er. Doch genau das...

...stellten viele Experten infrage, unter ihnen einige Windsurf-Größen. Sie glaubten, Rosnay hätte viel abgemagerter sein müssen; zudem bezweifelten sie, dass der Franzose mit seinem Surfbrett derart zielgerichtet in einer Region voller Strömungen navigieren konnte. Dieses Foto zeigt Rosnay bei einem Auftritt im Studio des TV-Senders TF1, der auch seine Kritiker geladen hatte. Sein Bruder Joël riet Arnaud zur Zurückhaltung: "Übertreibe nichts, keine Schwülstigkeiten". Und: "Kritisiere nicht die Journalisten, kritisiere nicht die Spezialisten".

Gefragter Gesprächspartner: Nach seinem wundersamen Auftauchen im Südpazifik stürzte sich die Presse auf Rosnay. "Haie schlugen ihre Zähne in mein Brett, die Sonne quälte mich unendlich, das Salz machte mich fast verrückt", berichtete er. Nicht wenige hielten den vermeintlichen Helden aber für einen Hochstapler. "All jene, die meinen Erfolg nicht wahrhaben wollen, sind dumm, neidisch, naiv und blöd", schrieb Rosnay später beleidigt in seinem Buch über sein Pazifik-Abenteuer.

Was trieb ihn an? Gern behauptete Rosnay, er unternehme seine Extrem-Surfversuche nur, weil er sich selbst etwas beweisen wolle im "Kampf mit den Elementen". Um absolute Rekorde gehe es ihm nicht. Vielleicht wollte Rosnay aber auch all seinen Neidern zeigen, dass er mehr draufhatte als ein typischer Society-Schnösel.

Vom Skateboard zum Strandsegler: In den Sechzigerjahren hatte Arnaud de Rosnay mit seinem Bruder Joël in Frankreich Werbung für den noch jungen Skateboard-Sport gemacht. 1977 kam er auf die Idee, Räder unter Windsurfbretter zu montieren - und wurde damit zum Erfinder des Strandsegelns. Geschickt bewarb er das neue Gefährt: Er organisierte "Speed-Sail"-Events (Foto) und fuhr 1979 in mit einem Strandsegler 1380 Kilometer an der Sahara-Atlantikküste entlang.

Ein warmes Bad vor dem eiskalten Wasser der Beringstraße: 1979 überquerte Arnaud de Rosnay die Meerenge zwischen Alaska und Sibirien. Hier testet er gut gelaunt sein Material mit einer Assistentin. Das Experiment gelang: Rosnay brauchte etwa acht Stunden für die Überquerung; eine Nacht in der kalten Region hätte er nicht überlebt.

Traumpaar: Arnaud de Rosnay - reich, adelig - hatte in der Pariser Frauenwelt den Spitznamen der "große Zärtliche". Seine Frau Jenna galt als eine der schönsten Frauen der Welt und machte sehr erfolgreich Werbung für Bademode. Nebenbei brachen Arnaud und Jenna Rekorde im Windsurfen. Der französische Journalist Gilles Lhote erinnert sich: "Die Beziehung zu Jenna ließ die Massen träumen. Sie waren die Brad Bitt und Angelina Jolie der frühen Achtzigerjahre."

Unter Promis: Arnaud de Rosnay zusammen mit Brigitte Bardot. Der Franzose, schon im Alter von 23 Jahren Besitzer eines Rolls Royce, war auch mit anderen Stars seiner Zeit bekannt. So begleitete er in den Sechzigern die Beatles auf einer Reise durch Indien.

Dauergast an Traumstränden: Auf einer tropischen Insel war er als Kind aufgewachsen. Arnaud de Rosnays Eltern besaßen eine Villa und Zuckerfabriken in Mauritius. Und in solchen Inselparadiesen fühlte sich der Franzose stets am wohlsten. Auf der privaten Karibikinsel Moustique kaufte er sich eine Villa direkt neben dem Anwesen von Mick Jagger. In Mauritius heiratete er seine Frau Jenna, die er auf Hawaii kennengelernt hatte. Schon ab 1973 hatte als offizieller Berater von Mauritius für Luxusreisen auf den Inselstaat geworben.

Wie ein Seefahrer: Arnaud de Rosnay testete vor seiner Fahrt über den Pazifik 1980 auch das Navigieren mit einem Sextanten.

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